URAUFFÜHRUNG

BÖSES MÄDCHEN

Von Lothar Kittstein
Theater Bonn
Premiere: 26. Januar 2011


Ein Haus im Wald, weit weg von der Stadt. Früher war es ein beliebtes Winterausflugsziel, voller Leben. Aber hier fällt schon lange kein Schnee mehr. Die Gäste bleiben seit Jahren aus. Eine Frau kommt, sie besucht den Mann, dem das Haus gehört. Er ist alt geworden. Seine Kräfte lassen nach. Dagegen sträubt sich alles in ihm. Er war stets ein Mann, der bekam, was er wollte, und jetzt braucht er Hilfe. Die Frau will sich um ihn kümmern. Sie hat sich eine berufliche Auszeit genommen und kommt, um zu helfen - sagt sie. Ist sie seine Tochter? Die Frau bringt ein Mädchen mit. Eine junge Frau, fast. Hübsch, aber etwas stimmt nicht mit ihr. Ist sie ihre Tochter? Oder ihre Geliebte? Eine seltsame Spannung liegt in der Luft. Es beginnt ein erotisch aufgeladenes Spiel um Liebe, Macht und Abhängigkeit und die Wunden der Vergangenheit. - Das neue Stück von Lothar Kittstein ist ein Psycho-Thriller, der sich in einen Grenzbereich des Lebens vorwagt, wo die Dimensionen von Wahrheit und Lüge, Gegenwart und Erinnerung, Wirklichkeit und Traum, Tod und Liebe miteinander verschmelzen.


Eingeladen zum Festival Stummer Schrei 2012

Frau: Birte Schrein
Mann: Wolfgang Rüter
Mädchen: Philine Bührer


Regie: Michael Lippold
Bühne und Kostüme: Anne Brüssel
Dramaturgie: Christopher Hanf


THEATER BONN / THILO BEU

PRESSE

Kittstein zeigt die Familie als Ort des Unheimlichen. Einen mitteleuropäischen familiären Beziehungs-Urwald, auf dessen tiefenpsychologischen Boden kein Sonnenstrahl mehr fällt. In dem kunstvoll verrätselte Figuren traumverloren als Archetypen („Mann“, „Frau“, „Mädchen“) agieren. Und in dem Liebe, Gewalt, Inzest, Verführung, Zuneigung daueraktive Kraftfelder abgeben, ohne sich jemals eindeutig erkennen zu geben. Regisseur Michael Lippold wird da deutlicher. Er gibt seinen Schauspielern klare Haltungen und Kittsteins ambivalentem Ungefähr eine handfeste konkrete Geschichte. Das legt die Struktur des Textes frei, macht ihn banaler, vorhersehbarer. Aber den Abend zwingend. Mitreißender. (...) Der Regie-Ansatz ist möglicherweise nicht die einzige Möglichkeit, mit Kittsteins familiärem Beziehungsgestrüpp fertig zu werden. So konsequent und präzise, wie Lippold dies durchexerziert, aber durchaus eine gültige. (Nachtkritik.de)

Der Autor Lothar Kittstein hat ein spannungsvolles Stück der Andeutungen, Rätsel und Fragen geschrieben. Es dreht sich um Macht und Missbrauch, körperliche und seelische Verletzungen und ihre Folgen. Regisseur Michael Lippold versteckt sich nun nicht verdruckst hinter der offenen Poesie der literarischen Vorlage. Er verortet die Figuren, die zwischen Traum und Trance agieren, in der Wirklichkeit. (...) Gewalt ist Thema des Stückes und der Inszenierung. Wo Kittstein es bei Andeutungen belässt, deutet Regisseur Lippold konkret. Das häufige Gerede von Waschen und Abschrubben übersetzt er in eine kurze, aber heftige Haarwasch-Szene. Am eindrücklichsten wirkt der Moment, in dem Mutter und Tochter die Rollen tauschen, übergangslos die Jüngere herrisch und kühl erscheint und die Ältere kindlich verloren dasitzt. Die Szene illustriert, dass die Zeit hier keine Wunden heilt und die Verletzungen von einst in die Gegenwart fortwirken. (...) Wo der Autor vage bleibt, wird der Regisseur konkret. Mit Erfolg. (Bonner Generalanzeiger)

Der Realismus des Beginns wird schnell aufgeweicht, die Grenzen zum Traum verschwimmen. Frau und Mädchen wechseln die Rollen, der Mann kann plötzlich wieder gehen, eine Schublade wird zum Kinderzimmer, und im Schrank schneit es. Manche dieser surrealen Bilder hat Regisseur Michael Lippold erfunden, sie stehen nicht im Text. (...) Lippold gibt dem kargen Stück die Stimmung eines Psychothrillers von Roman Polanski. Man denkt an den „Mieter“, in dem ein Mann langsam in den Wahnsinn gleitet, oder auch an „Ekel“ mit Catherine Deneuve. Auch in diesem Film bleibt am Schluss unklar, was die wilden Psychosen ausgelöst hat. (...) Regie und Ensemble holen das Maximum aus dem eher schwachen Skript heraus. (Deutschlandradio Kultur)

Regisseur Michael Lippold ist Schauspieler und hat mit seiner packenden Inszenierung von Philip Ridleys Disneykiller an der freien Bühne Rottstr 5 in Bochum einige Aufmerksamkeit erregt. Souverän und einfühlsam bringt er nun die mulmige Geschichte auf die breite Bühne der Bonner Werkstatt. (Frankfurter Rundschau)