DIE WUNDERÜBUNG

Von Daniel Glattauer
Theater im Bauturm
Premiere: 23. Oktober 2015


ER und SIE haben sich entschieden: Joana und Valentin, beide um die 40, gehen zur Paartherapie. Sie sind am Tiefpunkt ihrer Beziehung angelangt. Höhepunkte gibt es schon lange keine mehr. Weder sexuell noch emotional. Dabei hatte alles so schön angefangen mit gemeinsamem Abtauchen im klaren Wasser des Roten Meers. Übrig geblieben sind Schlammschlachten im heimischen Beziehungssumpf, mittelmäßige Affären und ein alles erstickender Alltag. Ein letzter Versuch, um die Ehe vielleicht noch zu retten: Paartherapie. Doch diese verläuft zunächst äußerst zäh. Der Therapeut bemüht sich, so gut es geht, versucht es mit immer neuen Übungen, aber das Paar scheint absolut beratungsresistent. Joana, Historikerin, fühlt sich ihrem Mann intellektuell überlegen und weiß sowieso immer, was er als nächstes sagen will. Valentin, klassischer Technokrat, reagiert darauf mit Gefühlskälte und Ignoranz. Im Grunde spürt man, dass sie sich nach dem anfänglichen Zustand ihrer Beziehung sehnen. Aber die Verkrustungen sind zu stark, deshalb tun sie aus Angst vor Veränderung und Verletzung alles, um sich in ihrem Urteil über den anderen zu bestätigen. Die Therapie scheint sinnlos. Bis der Therapeut sein letztes Ass aus dem Ärmel zieht: die Wunderübung.

Joana Dorek: Katharina Waldau
Valentin Dorek: Thomas Pohn / Michael Lippold (06.01. – 06.02.2016)
Therapeut: Bernhard Bauer


Regie: Michael Lippold
Bühne und Kostüme: Michael Lippold
Dramaturgie: Kerstin Ortmeier

Theater im Bauturm / Meyer Originals

PRESSE

Glattauers Wunderübung wäre durchaus ein Stück für Boulevardbühnen, in Köln das Theater am Dom. Dem stünde keineswegs entgegen, dass hinter der komödiantisch grundierten Zimmerschlacht auch Trauerbotschaften lauern. Dieses Changieren bekommt die Bauturm-Inszenierung Michael Lippolds denkbar gut in den Griff. Zunächst Heiterkeit satt. Aus Johann Sebastian Bachs Hochzeitskantate sieht man die Textzeile „Sich üben im Lieben, in Scherzen sich herzen, ist besser als Florens vergängliche Lust“ im Hintergrund projiziert (dazu Musik aus dem Werk), weiterhin gibt es witzig wirkende Filmsequenzen vom Balz- und Kopulationsverhalten aus dem Tierreich zu sehen. Der Eheberater mit seinem Lispelton scheint zunächst etwas zu weit in Richtung Klamotte angelegt. Doch wie Bernhard Bauer auch auf diese Weise die zunehmende Hilflosigkeit des Therapeuten verdeutlicht (um zuletzt clever mit seiner rettenden „Wunderübung“ zu kommen), ist nichts weniger als brillant. Das hilfesuchende Ehepaar findet in Katharina Waldau (Joana, mit ihren Gefühlen immer auf dem Vulkangipfel) und Thomas Pohn (Valentin, eher gesetzt und reserviert) nicht minder virtuose Darsteller. Lippolds detailreiche und einfallsreiche Regie dampft bis zum Schluss. (Theater Pur)